Sonntag, 17. September 2017

Der Blick auf Weiblichkeit: ein Besuch auf der Ostrale 2017

Wie die Motten das Licht suchen! Doch Licht ist hier ein zarter halbnackter jugendlicher Mädchentorso. Der Blick ruht auf blasser Haut und sprießenden Brüsten.  
Das ist der Blick des Betrachters. Die Ostrale fordert uns, unter dem Motto "re:form" über Weiblichkeit nachzudenken; - und bietet hierzu gleich mehrere Werke. So auch das Werk von Anka Lesniak, welches sich mit der Geschichte von polnischen Terroristinnen beschäftigt. Wie verändert sich der Blick auf alte Fotografien von Frauen, wenn wir wissen, dass es Bombenlegerinnen oder Polizistenmörderinnen sind?  Wenn unter dem schönen Schein, weiblicher Stereotype das Böse lauert? Waffen unter Reifröcke, - das perfekte Spiel mit Erwartungen.

Jana Brike, "I am you Moonlight and Flower Garden" Malerei

"Woman patRIOTs" Anka Lesniak, Teil der Objekte

"Woman patRIOTs" Anka Lesniak, Teil der Objekte, hier: Kleid von vorn



"Woman patRIOTs" Anka Lesniak, Teil der Objekte, hier: Kleid von hinten

Montag, 22. Oktober 2012

Dalton M. Ghetti und seine unverkäufliche Kunst

Der Brasilianer Dalton M. Ghetti macht aus Künstlerwerkzeug seine eigenen Kunstwerke.

Filigrane Skulpturen: alle seine Bleistifte sind unverkäuflich.

Für seine Kunstwerke benötigt der in Brasilien geborene Künstler vor allem eines: Geduld. In meditativer Arbeit versunken erschafft er aus Bleistiften eigene Bilderwelten: da sind z.B. die Twin Towers, die Giraffe, ein kleiner Bauernhof, eine Kirche oder gar das ganze Alphabet. Nichts scheint filigran genug zu sein. Keinen seiner bearbeiteten Bleistifte hat er verkauft. Er selbst sagt, es sei sein Hobby; er mache das nicht für Geld, sondern weil sein künstlerisches Bedürfnis ihm eine Herzensangelegenheit ist, was er auch so beibehalten will.

Bilder und Infos zu diesem außergewöhnlichen Bildhauer findet ihr unter www.daltonmghetti.com .

Freitag, 5. Oktober 2012

Widerspenstige ganz süß: Eine Installation von Sanja Ivekovic

Ein Denkmal den Eseln. Künstlerin: Sanja Ivekovic aus Zagreb

Der Esel: per Definition ein Lasttier. Eigenschaft: genügsam, stur; bösartige Zungen behaupten, dieser sei obendrein dumm.
Eben jenes symbolische Tier nutzte Sanja Ivekovic, eine Künstlerin aus Zagreb, für ihre Installation in der Neuen Galerie während der Documenta 13 in Kassel. In einer Vitrine stellt sie Spielzeugesel aus und kombiniert diese mit Namen von bekannten Menschen, welche Widerstand gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeiten geleistet haben. Darunter sind die Geschwister Hans und Sophie Scholl („Die Weiße Rose“), Bürgerrechtler Martin Luther King, die russische Journalistin Anna Politkowskaja oder Jan Palach, der sich aus Protest gegen die sowjetische Besatzung in Prag verbrannt hat. Aber Wandtafeln informieren auch über in Deutschland unbekannte Aktivisten, die gegen Apartheid, für ein freies Tibet, im antikolonialistischen Widerstand kämpften oder die auf dem Tahrir-Platz in Kairo getötet wurden. Eins haben die symbolisierten Menschen jedoch gemein: Sie sind alle tot.
Wie schön, dass die Künstlerin sie, und vor allem deren Widerspenstigkeit, würdigt.

Dienstag, 18. September 2012

Als Apple noch Widerstand war: Wie aus KZ-3 der Korbinian-Apfel wurde

 Konzeptkunst gab es auch schon, bevor diese als solche erkannt wurde.
Korbinian Aigner (1885-1966), der auch "Apfelpfarrer" genannt wurde, züchtete während seiner Inhaftierung in Dachau 4 neue Apfelsorten, denen er die lakonische Namen KZ-1, KZ-2, KZ-3 und KZ-4 gab. Heute baut man nur noch KZ-3 an, nennt jedoch diese Sorte seit den 80er Jahren Korbinian-Apfel. Inhaftiert wurde der Pfarrer wegen seiner offenen Ablehnung des Nationalsozialismus.
Aigners KZ-Äpfel sind ein poetisches Symbol für den Holocaust, - quasi als Sündenfall der Moderne.

Aigner selbst hielt an dem Konzept Apfel fest:
Bis in die 60er Jahre hinein folgte er seinem ästhetischen Dogma und festigte Abbilder von Äpfeln und Birnen an, allein oder als Paar.

Sein Werk wurde nun auf der Documenta 13 in Kassel gewürdigt. Nicht nur, indem seine Apfel-Abbilder gezeigt wurden, sondern auch mit einem Korbinian-Apfelbaum, der in der Karlsaue gepflanzt wurde. 
Ein informelles Denkmal, welches sich nur dem offenbart, der sich mit seiner Geschichte auseinander gesetzt hat.


Kader Attia führt uns ästhetische Grenzen vor Augen

 Attia Kader stört unsere westliche Illusion von Perfektion. Der Künstler ist zwischen Algerien und der pariser Vorstadt aufgewachsen. Diese Erfahrungen prägen seine künstlerische Praxis. Seine Kunst lebt von der Spannung zwischen äußerlichem Reiz und kontroversen Inhalten. Sie regt an, unsere globalisierte Welt zu hinterfragen.

Auf der Documenta 13 zeigte er Büsten und Fotografien - und leere Vitrinen.
Seine Holz-Skulpturen fertigte er nach Fotos an, die Gesichtern von Soldaten des ersten Weltkrieges zeigen. Er weist dabei auf Analogien zur zeitgenössischen arfikanischen Kunst.
Perfektion und postraumatische Heilung? Beides ist wohl eine Illusion.


Donnerstag, 13. September 2012

Kapitalismuskritik in Kassel: Aus OCCUPY wird DOCCUPY



Die Occupy-Aktivisten hatten eine neue Bühne für ihren Protest auf der Documenta in Kassel. Nun sind sie weg, seit dem 08. September. Beinahe seit Beginn der Documenta waren die Kapitalismus-Kritiker mit einer Stadt aus Zelten bei dieser Kunstausstellung vertreten.
Es begann mit 28 einfachen weißen Zelten, auf die 20 Begriffe wie Gier, Hochmut, Geiz und Neid geschrieben waren. Diese seien, nach eigener Darstellung, die „Grundübel der Zeit“. Die künstlerische Leiterin der Documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, tolerierte es; was sonst, denn die Vertreibung der Occupy-Bewegung wäre wohl als Bummerang zurückgekommen. „Wir werden nicht veranlassen, dass die Zelte abgebaut werden“, verkündete die Sprecherin.

Die Documenta ist die weltweit wichtigste Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Wer sie sehen will, muss sich sputen, denn läuft nur noch bis zum 16. September.









Dieses Kunstwerk will "Raum erobern"! Beitrag eines DOCUMENTA-Künstlers zur OCCUPY-Bewegung in Kassel.
Mehrsprachiger Schriftzug auf einem der OCCUPY-Zelte.

Mittwoch, 12. September 2012

Hüpfen, Tanzen, Kreischen: White Bouncy Castle

Eurphorisches Hüpfen mit Beigeschmack in Hellerau
Ein weißes Schloss; innen eine Bahn von fast vierzig Metern - das Kunstzentrum Hellerau hat seine Besucher eingeladen, Teil der Installation "White Bouncy Castle" zu sein. Hoch umschließt die Burg ihr Hüpfgelände, das Weiß strahlt eine surreale Kälte aus, der grollende Hintergrundsound erinnert eher an Horrorszenen als an spaßige Kindermusik. Die Besucher stürzen sich freudig ins hüpfende Getümmel. Erwachsene freuen sich, zusammen mit ihren Kindern den Hüpfspaß zu erleben. Sie tanzen, sie jauchzen, springen gegen Wände und laufen hüpfend die Bahn auf und ab.

Doch - in an der Wand sitzt ein dreijähriges Kind, dem die Atmosphäre Angst macht: das kalte Weiß, die drohende Soundkulisse, die hüpfverrückten Leute - all das verleiht der Burg eher den Charme einer zu groß geratenen Gummizelle.  Vergnügen und Wahnsinn gehen Hand in Hand. 

Vielleicht war das Kind der einzig aufmerksame Kunstrezipient an diesem Ort.

  
"White Bouncy Castle" ist ein Gemeinschaftsprojekt von Dana Caspersen, William Forsythe und Joel Ryan