Montag, 22. Oktober 2012

Dalton M. Ghetti und seine unverkäufliche Kunst

Der Brasilianer Dalton M. Ghetti macht aus Künstlerwerkzeug seine eigenen Kunstwerke.

Filigrane Skulpturen: alle seine Bleistifte sind unverkäuflich.

Für seine Kunstwerke benötigt der in Brasilien geborene Künstler vor allem eines: Geduld. In meditativer Arbeit versunken erschafft er aus Bleistiften eigene Bilderwelten: da sind z.B. die Twin Towers, die Giraffe, ein kleiner Bauernhof, eine Kirche oder gar das ganze Alphabet. Nichts scheint filigran genug zu sein. Keinen seiner bearbeiteten Bleistifte hat er verkauft. Er selbst sagt, es sei sein Hobby; er mache das nicht für Geld, sondern weil sein künstlerisches Bedürfnis ihm eine Herzensangelegenheit ist, was er auch so beibehalten will.

Bilder und Infos zu diesem außergewöhnlichen Bildhauer findet ihr unter www.daltonmghetti.com .

Freitag, 5. Oktober 2012

Widerspenstige ganz süß: Eine Installation von Sanja Ivekovic

Ein Denkmal den Eseln. Künstlerin: Sanja Ivekovic aus Zagreb

Der Esel: per Definition ein Lasttier. Eigenschaft: genügsam, stur; bösartige Zungen behaupten, dieser sei obendrein dumm.
Eben jenes symbolische Tier nutzte Sanja Ivekovic, eine Künstlerin aus Zagreb, für ihre Installation in der Neuen Galerie während der Documenta 13 in Kassel. In einer Vitrine stellt sie Spielzeugesel aus und kombiniert diese mit Namen von bekannten Menschen, welche Widerstand gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeiten geleistet haben. Darunter sind die Geschwister Hans und Sophie Scholl („Die Weiße Rose“), Bürgerrechtler Martin Luther King, die russische Journalistin Anna Politkowskaja oder Jan Palach, der sich aus Protest gegen die sowjetische Besatzung in Prag verbrannt hat. Aber Wandtafeln informieren auch über in Deutschland unbekannte Aktivisten, die gegen Apartheid, für ein freies Tibet, im antikolonialistischen Widerstand kämpften oder die auf dem Tahrir-Platz in Kairo getötet wurden. Eins haben die symbolisierten Menschen jedoch gemein: Sie sind alle tot.
Wie schön, dass die Künstlerin sie, und vor allem deren Widerspenstigkeit, würdigt.

Dienstag, 18. September 2012

Als Apple noch Widerstand war: Wie aus KZ-3 der Korbinian-Apfel wurde

 Konzeptkunst gab es auch schon, bevor diese als solche erkannt wurde.
Korbinian Aigner (1885-1966), der auch "Apfelpfarrer" genannt wurde, züchtete während seiner Inhaftierung in Dachau 4 neue Apfelsorten, denen er die lakonische Namen KZ-1, KZ-2, KZ-3 und KZ-4 gab. Heute baut man nur noch KZ-3 an, nennt jedoch diese Sorte seit den 80er Jahren Korbinian-Apfel. Inhaftiert wurde der Pfarrer wegen seiner offenen Ablehnung des Nationalsozialismus.
Aigners KZ-Äpfel sind ein poetisches Symbol für den Holocaust, - quasi als Sündenfall der Moderne.

Aigner selbst hielt an dem Konzept Apfel fest:
Bis in die 60er Jahre hinein folgte er seinem ästhetischen Dogma und festigte Abbilder von Äpfeln und Birnen an, allein oder als Paar.

Sein Werk wurde nun auf der Documenta 13 in Kassel gewürdigt. Nicht nur, indem seine Apfel-Abbilder gezeigt wurden, sondern auch mit einem Korbinian-Apfelbaum, der in der Karlsaue gepflanzt wurde. 
Ein informelles Denkmal, welches sich nur dem offenbart, der sich mit seiner Geschichte auseinander gesetzt hat.


Kader Attia führt uns ästhetische Grenzen vor Augen

 Attia Kader stört unsere westliche Illusion von Perfektion. Der Künstler ist zwischen Algerien und der pariser Vorstadt aufgewachsen. Diese Erfahrungen prägen seine künstlerische Praxis. Seine Kunst lebt von der Spannung zwischen äußerlichem Reiz und kontroversen Inhalten. Sie regt an, unsere globalisierte Welt zu hinterfragen.

Auf der Documenta 13 zeigte er Büsten und Fotografien - und leere Vitrinen.
Seine Holz-Skulpturen fertigte er nach Fotos an, die Gesichtern von Soldaten des ersten Weltkrieges zeigen. Er weist dabei auf Analogien zur zeitgenössischen arfikanischen Kunst.
Perfektion und postraumatische Heilung? Beides ist wohl eine Illusion.


Donnerstag, 13. September 2012

Kapitalismuskritik in Kassel: Aus OCCUPY wird DOCCUPY



Die Occupy-Aktivisten hatten eine neue Bühne für ihren Protest auf der Documenta in Kassel. Nun sind sie weg, seit dem 08. September. Beinahe seit Beginn der Documenta waren die Kapitalismus-Kritiker mit einer Stadt aus Zelten bei dieser Kunstausstellung vertreten.
Es begann mit 28 einfachen weißen Zelten, auf die 20 Begriffe wie Gier, Hochmut, Geiz und Neid geschrieben waren. Diese seien, nach eigener Darstellung, die „Grundübel der Zeit“. Die künstlerische Leiterin der Documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, tolerierte es; was sonst, denn die Vertreibung der Occupy-Bewegung wäre wohl als Bummerang zurückgekommen. „Wir werden nicht veranlassen, dass die Zelte abgebaut werden“, verkündete die Sprecherin.

Die Documenta ist die weltweit wichtigste Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Wer sie sehen will, muss sich sputen, denn läuft nur noch bis zum 16. September.









Dieses Kunstwerk will "Raum erobern"! Beitrag eines DOCUMENTA-Künstlers zur OCCUPY-Bewegung in Kassel.
Mehrsprachiger Schriftzug auf einem der OCCUPY-Zelte.

Mittwoch, 12. September 2012

Hüpfen, Tanzen, Kreischen: White Bouncy Castle

Eurphorisches Hüpfen mit Beigeschmack in Hellerau
Ein weißes Schloss; innen eine Bahn von fast vierzig Metern - das Kunstzentrum Hellerau hat seine Besucher eingeladen, Teil der Installation "White Bouncy Castle" zu sein. Hoch umschließt die Burg ihr Hüpfgelände, das Weiß strahlt eine surreale Kälte aus, der grollende Hintergrundsound erinnert eher an Horrorszenen als an spaßige Kindermusik. Die Besucher stürzen sich freudig ins hüpfende Getümmel. Erwachsene freuen sich, zusammen mit ihren Kindern den Hüpfspaß zu erleben. Sie tanzen, sie jauchzen, springen gegen Wände und laufen hüpfend die Bahn auf und ab.

Doch - in an der Wand sitzt ein dreijähriges Kind, dem die Atmosphäre Angst macht: das kalte Weiß, die drohende Soundkulisse, die hüpfverrückten Leute - all das verleiht der Burg eher den Charme einer zu groß geratenen Gummizelle.  Vergnügen und Wahnsinn gehen Hand in Hand. 

Vielleicht war das Kind der einzig aufmerksame Kunstrezipient an diesem Ort.

  
"White Bouncy Castle" ist ein Gemeinschaftsprojekt von Dana Caspersen, William Forsythe und Joel Ryan

Samstag, 8. September 2012

Unglaubliches auch für Ungläubige in einer Katholischen Kirche


Intensiver Blick, definierter Torso: Ein Werk von atemberaubender Schönheit. Ein Adonis, der dem Gelde entwachsen scheint und sich wieder in diesem auflöst.
Eins Vorweg: Der Autor ist bekennender Atheist und hat auch vor, ein solcher zu bleiben. Und nein, ich bin nicht schwul, - was übrigens völlig wertfrei gemeint ist. Dies ist also kein religiöser Erweckungsruf; nein, es ist viel mehr: Es ist die Freude darüber, dass die moderne Kirchengemeinden Sankt Elisabeth in der Lage ist, tatsächlich Mut zur Kontroverse zu zeigen. Ein populäres Medienecho erfuhr die Gemeinde im Rahmen der Documenta 13 in Kassel. Das Bild der Holzfigur mit ausgebreiteten Armen, wie auf der Spitze des Kirchturmes steht, ging um die Welt. Es ist ein Werk des Künstlers Stephan Blankenhol, der just zeitgleich zur Documenta 13 in Kassel seine Ausstellung in der Kirche Sankt Elisabeth ausstellt. Ein kleiner Skandal, gehört doch der Künstler nicht zum offiziellen Kunstkanon der Documenta. Besucher stoßen also nur zufällig auf diese kleine kostenlose Ausstellung im Zentrum Kassels; diese jedoch gehört zweifellos zu den Höhepunkten des Documenta-Besuchs; auch wenn eben Stephan Blankenhol mit keiner Silbe in den Documenta-Unterlagen erwähnt wird.

Die Ausstellung zeigt mehrere Holzplastiken, die funktional im Gotteshaus eingerichtet wurden. Wie sonst üblich in der katholischen Kirche: Nackte müssen draußen bleiben, auch wenn es sich dabei nur um eine Holzfigur handelt. Dies tut dem Arrangement keinem Abbruch. Bedeutungsschwer blicken die Figuren; spannende Kompositionen; Neues auf traditionellen Plätzen; ein passives Kreuz, was aus 4 aktiv raumverdrängenden Platten geformt wird, aus denen Augen-Blicke uns treffen; Maria als fesche Brünette im figurbetonten Kleid; und viele mehr! All diese Dinge erwartet man überall, nur nicht in einer katholischen Kirche! Die Gemeinde beweist Mut und Kunstsinn; sodass selbst ich, der überzeugte Atheist, voller Begeisterung annerkennend und demütig meinen Hut ziehe.


Stephan Blankenhols überlebensgroßes (5,70m !)  Meisterwerk von 2009 "Sempre più..." aus Zedernholz. Passt irgendwie zu einer katholischen Kirche, wie es Sankt Elisabeth doch ist, da diese Plastik beinahe homophobe Gefühle weckt.


All-ansichtig bleibt diese Komposition zweier Platiken hochspannend, da im Besucher beim Umgehen des Werk zahlreiche bedeutendschwere Assoziationen geweckt werden. Der Titel dieses Werks von Stephan Blankenhol wirkt dagegen fast zu schlicht: "Großer Kopf und männliche Figur", ja, was sonst, würde doch jeder andere Titel die Assoziationskraft des Besuchers vernichten. Würde das Werk z.B. "Freunschaft" heißen oder "Ich", - wie viel würde es an Kraft verlieren? 

Schuss und Gegenschuss, wer blickt auf wen? Ich auf mich? Gegenwart auf Vergangenheit?

Kapellfigur der Sankt Elisabeth von Stephan Blankenhol


Menschliche Relief-Figuren ganz in der kirchlichen Tradition: die Heiligen im Stile des Gegenwartsmenschen. Warum nicht? Wurde nicht schon zuvor Maria in einer antiken Tunika, in einem gothischen Gewand und in barocker Pracht-Montur dargestellt?

Bilder-Komposition über dem Altarbild der Kirche Sankt Elisabeth. Ansicht von der höchsten Stufe der Galerie.



Donnerstag, 6. September 2012

Gemüse in der Vertikalen; oder: Praktische Tipps auf der Documenta 13

Gärtnern mal anders: Die Künstlerin Claire Pentecost zeigt, wie man Gemüße an Pfeilern anbaut, das spart Platz und schafft grüne Blickpunkte in dicht besiedelten Gegenden der Erde.

Erde als wertvollstes Gut - diesem Thema hat sich die Künstlerin Claire Pentecost genähert. Im Ottoneum, dieses Jahr Austellungsort während der Documenta, gestaltet sie die Eingangshalle und den Vorhof mit ihrer Interpretation von Landwirtschaftspolitik und Macht.




 Ihre Installation ist ambitioniert: Sie schlägt ein neues Wertesystem vor und eine neue gesellschaftliche Orientierung auf Grundlage des lebendigen Ackerbodens, quasi als Währing für jedermann.








Außerhalb des Ottoneums setzt sich die Installation fort: Dort hat Sie Pfeiler aufstellen lassen, diese mit Erde befüllt und demonstiert so intensiven Gemüseanbau, wie er in dicht besiedelten mit Landmangel gelebt weden könnte: aus den Pfeilern wächst Kohl, Salatköpfe, Kohlrabi, Bohnen, Gewürze etc.

Sie beweist: Alternativen sind möglich, wenn sie denn nur gewollt sind.


Mittwoch, 5. September 2012

Märcheninstallation auf der Documenta 13 in Kassel

Nedkos Drache für den Traumritter im Gebrüber-Grimm-Haus
Die Documenta 13 hat sich neben der Neuen Galerie auch zu einen eher mächenhaften Beitrag im Gebrüder-Grimm-Haus hinreißen lassen. Hier stellt der bulgarische Konzept-Künstler Nedko Solakov seinen Beitrag aus. Er ist einer der wenigen Künstler, welcher dem Betrachter auch gestige Anhaltspunkte zu seinem Werk mit auf dem Weg gibt. Gleich eingangs der Installation findet der Besucher Zettel in verschiedenen Sprachen. In diesen beschreibt der Künstler, wie verschiedene Träume in ihm reiften. Der war der Jugendtraum, Schlagzeuger in einer Rockband zu werden. Da war der Erwachsenen-Traum nach Ritterlichkeit. Da war der Kindertraum nach Spielzeug, im Speziellen nach den viel zu teuren Helikoptern.


Nun hat er seine Träume für die Documenta 13 Wirklichkeit werden lassen. So spielte er als Ritter in einer Rockband Schlagzeug und lässt anschließend einen Helikopter von seinem ritterlichen Arm aus starten. Die amüsante Dokumentation dieses Ereignisses kann der Besucher in einer Endlosschleife auf einer Leinwand folgen. In den Räumen vertreut sind Reliquien der Träume: die Rüstung, das Schlagzeug, die Helikopter - doch dabei belässt er es nicht: die Märcheninstallation wird in Form von Texten, Zeichnungen, Malerein, Fotografien etc. ausgesponnen.

Und was nehmen wir, die Betrachter, davon mit?

 Wohl eine Erkenntnis, die man nicht treffender als der Künstler selbst formuliert hat:

"Am Ende wird auch klar sein, ob ich jetzt - nachdem ich die meisten meiner Träume verwirklicht habe - glücklicher bin, obwohl ich vermute, dass Sie die Antwort bereits kennen.



Ich hätte sie in meinen Kopf lassen sollen, diese Träume, wo sie auf immer und ewig glücklich hätten leben können. Vielleicht."





Mittwoch, 29. August 2012

Pause von der Documenta 13 in der Karlsaue

Die Karlsaue in Kassel: Ein Ort der Entspannung, - nicht nur für die Besucher der Documenta 13.

Noch läuft Sie - die Documenta 13 in Kassel, die weltweit wichtigste Kunstschau zur Modernen Kunst. Doch ehe wir uns der aufregenden Kunst widmen, lenken wir den Blick an die Nebenschauplätze der Documenta. Motto der Documenta 13: Kunst für alle, also auch Kinder, Tiere, etc. So verwundert es nicht, das ein erheblicher Teil der Kunst raus aus dem Museum angesiedelt wurde: in die Karlsaue.

Aus dieser und den Hauptschauplätzen der Documenta werden wir in den nächsten Tagen berichten.

Alles im grünen Bereich. Bei all der flirrenden Kunst, tut es den Augen gut, sich beim Anblick der Karlsaue in Kassel zu entspannen.

Wunderwelten und wogendes Grün: Was aussieht wie Natur ist doch hier nur von Menschenhand geschaffen. Streng genommen ist Landschaftgestaltung auch eine Ausdrucksform der Kunst - und zwar eine die gut gelingen kann, wie man am Beispiel der Karlsaue sieht.
Noch eine Ansicht der Karlsaue in Kassel - hier im Bild nicht sichtbar: rund 55 Kunstwerke sind zur Documenta 13 hier in der Karlsaue ausgestellt, teils öffentlich zugänglich, teils nur für zahlende Besucher.

Donnerstag, 23. August 2012

Moderne Kunst? Kommerz oder Unterhaltunsgkultur


3D-Projektion zum dresnder Stadtfest 2012 am Zwinger

Seit einiger Zeit gibt es ein neues Phänomen: Da wird was an eine Fassade projeziert; ach - und das sieht spektakulär aus! Einfach toll! Unglaublich!

Und wenn die bunten Bilder über die Hauswand flackern, dann ist das gleich ein Großereignis; muss ja, wer soll das denn sonst bezahlen? Es muss ja irgendwie bezahlt werden, sonst braucht man das ganze ja nicht machen.

Das treibt dann so irre Blüten, dass dafür private Sponsoren einspringen bzw. sich bereitwillig erklären, zu öffentlichen Projekten beizutragen. Wie neulich beim Dresdner Stadtfest, als niemand Geringeres als Intel den geheimen Höhepunkt des Stadtfestes boten: eine ca. 40 min Effektberieslung auf dem dresdner Zwinger.


Dorf und Stadt, Alot und Jung waren auf dem Theaterplatz zusammen gekommen, um dieser Spektakulären Werbeveranstaltung beizuwohnen.

Wer's verpasst hat, der kann sich die Show hier ansehen:
3D Projektion am Zwinger zum dresdner Stadtfest 2012

Schön und gut. Unterhaltung ist schließlich auch eine Kultur. Es muss ja nicht alles unbedingt Hochkultur sein; - wer wöllte das? Und doch, - trotz aller perfekt abgestimmten Effekte, irgendwann ist es - ermüdend. Ohne roten Faden, ohne Story, ohne dem gewissen Etwas, was uns doch was sagen soll, verhungert der Geist im bunten Lichternebel. Was fehlt ist der Anspruch an das Publikum, die Zumutung, es zum Mitdenken herauszufordern. Und schließlich das unterscheidet Kultur vom gebieterischen Kommerz.


Donnerstag, 16. August 2012